Wildbiologin Dr. Christine Miller einige wichtige Fakten zum Thema „Feiern statt feuern“ aufbereitet:
Lärm
Wildtiere, Eulen, Greife und Singvögel haben in der Regel ein sehr empfindliches Gehör. Bereits der übliche Straßenlärm erzeugt nieder-frequente Schallwellen unter drei Kilohertz und vertreibt Vögel und viele Wildtiere, die laute Gebiete meiden. In Städten und stadtnahen Bereichen gewöhnen sich Tiere bis zu einem Grad an diese Beschallung. Nicht so jedoch in ruhigen Wald- und Bergregionen. Dort reagieren sie selbst auf normale Lärmpegel weitaus empfindlicher.
Feuerwerksböller und -raketen verursachen lautes Pfeifen und Zischen, Maschinengewehrähnliches Knattern und plötzliche Knallgeräusche. Bis zu 120-180 deziBel laut sind diese Lärmeffekte. Beim Menschen treten bei 120 dB Schmerzen, bei 140 db irreversible Schäden. Für Vögel und Wildtiere sind diese Schwellen deutlich niedriger. Die Tiere versuchen sich instinktiv sofort in Sicherheit zu bringen. Doch die Böller und Kracher können selbst in Erdhöhlen noch gehört werden. Das laute Pfeifen beim Aufstieg einer Rakete ist übrigens nichts anderes als eine schnelle Abfolge vieler kleinerer Explosionen, die Wildtiere und Vögel als solche wahrnehmen können – und diese sie oft noch mehr in Panik versetzen wie ein einzelner lauter Böller
Tiere, die sich nicht in tiefe Höhlen zurückziehen können, werden entweder panisch flüchten. Doch, da der Lärm nicht aus einer Richtung vom Boden kommt, sondern praktisch von oben und damit von überall, verfallen die meisten Fluchttiere in eine Art „Starre“. Sie verharren in einem Nest, einem Unterschlupf, auf freiem Feld zitternd und bei einem Höchstmaß an Stress. Dabei verbrennen sie ihre körpereigenen Reserven auf höchster Stufe. Für Wildtiere, deren Energiereserven für den Winter eh auf Kante genäht sind, bedeutet das Hunger und, wenn sie nicht noch ausreichend Nahrung finden, auch den Tod. Besonders kritisch wird das für Winterschläfer, die der Lärm aus ihrem Tiefschlaf reißt und deren Wachphasen besonders energieintensiv sind. Ähnlich sind die Folgen für Rotwild, Gams und Rehe, die Winterschlaf „im Stehen“ machen können.
Licht
Eine Silvesterrakete steigt in der Regel 20 bis 15 Meter, bevor sie zündet und grelle, bunte Lichtblitze erzeugt. Profi-Feuerwerke kommen auf Steighöhen bis zu 260 Meter. Gerade in bergiger Landschaft findet diese Lichtshow daher direkt im Wohn- und Schlafzimmer der Wildtiere statt. Noch gravierender sind die Auswirkungen von Feuerwerken und Böllerschüssen auf Berggipfeln, wie manche originelle „Naturfreunde“ meinen das neue Jahr feiern zu müssen. Hier kommt zur unmittelbaren Störung durch das Feuerwerk noch die Beunruhigung beim Aufstieg, Abstieg, Übernachtung oder ev. nötiger Bergrettung hinzu.
Die hellen Lichter, die anders als das Mond- und Sternenlicht flackernd und hell aufleuchten, verursachen bei den tagaktiven Tieren, wie Vögel Schalenwild nicht nur ebenso panikartige Fluchtreaktionen sondern können auch den Jahreszeiten-Lichtschalter im Gehirn gehörig ins Stolpern bringen. Bei nachtaktiven Tiere, wie Eulen können sogar Schäden an den empfindlichen Augen auftreten. Für alles Wild, das nicht in einer Höhle verharrt, gilt: die Tiere sind desorientiert teilweise noch Tage nach einem Feuerwerk. Dabei verbrauchen sie Energie, verirren sich oder – das trifft vor allem für viele Singvögel zu – prallen an Hindernisse und verletzen sich.
Schwefel, Gift und Feinstaub
Die bunten Lichter des Feuerwerks entstehen durch das Abbrennen unterschiedlicher Metalle und Metalloxide. Die Verbrennungsgase, allen voran Schwefeldioxid und nicht zuletzt, die bei der Explosion zerlegten festen und flüssigen Bestandteile einer Rakete bleiben nicht nur im Umfeld der Zündung, sondern auch in einem weiten Bereich, der sogenannten „Fallout-Zone“. Nicht umsonst hat der Tiroler Bauernbund immer wieder vor der Verschmutzung der Wiesen und Felder und den Gefahren für Weidetiere gewarnt. Auch für Wildtiere, die mit der Äsung scharfkantige oder giftige Überbleibsel einer Feuerwerksnacht aufnehmen, besteht die Gefahr vergiftet oder verletzt zu werden.
Und nicht zuletzt die Feinstaubbelastung durch ein Feuerwerk ist beachtlich. In einer einzigen Nacht werden an Silvester etwa 10 Prozent der Jahresmenge des Straßenverkehrs in die Luft geblasen. Insgesamt werden in Österreich 400 Tonnen Feinstaub in der Silvesternacht in die Luft geschossen. Je nach Wetterlage in den darauffolgenden Tagen kann das bis zu acht Feinstaubtage bedeuten. Denken Sie daran, wenn auf der Autobahn wieder die Geschwindigkeit gedrosselt wird. Wer gerne mit Feuerwerken feiert, dürfte daher den Rest des Jahres nur in Schrittgeschwindigkeit mit dem Auto unterwegs sein, um seinen Schadstoffausstoß zu kompensieren.
Das Schweizer Umweltbundesamt hat ausgerechnet, dass durch eine Feuerwerksnacht genausoviel CO2 und Feinstaub erzeugt wird, als man im das ganze Jahr hindurch zweimal im Monat von Zürich zu den Fidschi-Inseln fliegt und zurück.
Feuergefahr
In Städten brennt es regelmäßig zu Silvester. Nicht umsonst haben immer mehr historische Altstädte ein komplettes Feuerwerksverbot verhängt. Schon beim Verbrennen von Wunderkerzen entstehen Temperaturen von etwa 400 Grad Celsius. Bei Feuerwerkskörpern sind die Temperaturen um ein Vielfaches höher. Die verbrannten oder noch verbrennenden Metallteilchen in den Sprengsätzen können im Umfeld der Rakete verglühen – oder auf trockenes Brennmaterial übergreifen. Gerade im Winter liegt viel trockenes Pflanzenmaterial in den Wäldern. Je nach Witterung ist die Waldbrandgefahr zum Jahreswechsel hoch. Waldbrände nach Feuerwerken sind keine Seltenheit.