Vortrag – Rotwild sichtbar machen

vom 3. August 2024

Am 3. August luden Christine und Tobias Fischer, Pächter derr EJ Rubach und Althauserwies zu einem interessanten Vortrag über Rotwildmanagement und intelligente, tierethische Jagdstrategien pro Waldumbau in das Gemeindeamt von Schoppernau.

Zahlreiche Jäger aus dem ganzen Land sind der Einladung gefolgt und haben den Ausführungen des Berufsjägers und Försters Hubert Billiani aufmerksam zugehört. 

Hubert Billiani kommt aus der Steiermark und hat dort 1987 die Ausbildung zum Förster und Berufsjäger gemacht. Auf Grund der Kombination Forst und Jagd bekam er eine Anstellung im oberbayrischen Revier (ca. 1.300 ha) Vorderriss bei Lenggries des Großherzogs von Luxemburg und betreut dies nun seit gut 35 Jahren. 

Was wir alle wissen, bestätigte er in seinem Vortrag:
Rotwild, ist diejenige Wildart, die am umfassendsten und aufwändigsten bewirtschaftet werden muss. Ohne ein nachhaltiges, ganzheitliches und über Jahrzehnte erprobtes und angepasstes Konzept können weder waldbauliche noch jagdwirtschaftliche Ziele erreicht werden.

In seinem Vortrag erklärte er sein Konzept, das viel Bekanntes nochmals deutlich in den Vordergrund rückte.
Wohlwissend, dass die bei uns oftmals kleinen Revierstrukturen, zwischenmenschliche Amositäten und die einseitigen Schuldzuweisungen bei Wildschäden manches schwierig verwirklichen lassen, haben seine Ausführungen zum Denken angeregt, wie die nachfolgende rege Diskussion zeigte.

Ziel:

Ein gesunder Wald mit natürlicher Verjüngung in Koexistenz mit gesunden, tagaktiven Wildtieren, die in intakten Sozialastrukturen leben. Die dazu nötigen ineinandergreifenden Grundelemente sind:

  • An die Bedürfnisse angepasste Lebensraumgestaltung mit ausreichenden Äsungsflächen
  • Ruhe
  • Richtige und durchdachte Bejagungskonzepte
  • Fütterung
Lebensraumgestaltung:

Billiani nutzt alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel und Möglichkeiten, um neue Äsungsflächen anzulegen, die sich über das gesamte Revier verteilen. Damit sorgt er für eine ausgewogene Raumnutzung des Rotwildes und reduziert „Hot Spots“ mit hoher Wildkonzentration. Alle Wiesen werden von ihm jährlich gemäht und gemulcht. (Foto: Hubert Billiani)

Zudem reaktivierte er frühere Almflächen und offene Bereiche durch Schwenden. Durch eine rotierende Beweidung durch Rinder entsteht immer wieder frische Äsung für das Rotwild und die Biodiversität steigt.

Ruhe:

Ruhe und eine stressfreie Umgebung sind Grundlage für die Rückkehr zu einem natürlichen und tagaktiven Verhalten. (Foto: Hubert Billiani)
Hierzu gehört ein konsequenter Jagdverzicht auf den der Wildäsung vorbehaltenen Flächen. Jagddruck führt zu Stress und Stress wiederum verhindert, dass Wildtiere ihrem natürlichen Rhythmus nachgehen. Eine Naturverjüngung kann nur dann gelingen, wenn sich das Wild angstfrei bewegen kann und es bevorzugt, auf offenen Wiesen zu äsen anstatt im Wald zu stehen, um sich erst spät nach Einbruch der Dämmerung aus seinem sicheren Einstand heraus zu wagen.

 Bejagungskonzept:

Wichtigste Komponente ist es, unnötige Ruhestörungen und Stresssituationen für das Wild zu vermeiden. Die Bejagung konzentriert sich daher auf einen möglichst kurzen Zeitraum vom Oktober bis Dezember. Davor sind die Äsungsflächen für Jagdliches absolut tabu. Im genannten Zeitraum wird vor allem der Kahlwildabschuss mittels Ansitz und Pirschjagd durchgeführt. Bei der Ansitzjagd wird größtenteils zu zweit angesessen und wann immer möglich Tier und Kalb als Doublette erlegt.  Druckjagden gehören nicht zur Jagdstrategie. (Foto: Hubert Billiani)

Nach seiner Meinung werden die größten Fehler meistens nach dem Schuss gemacht:

  • Lautes unmittelbares Repetieren zeigt dem Wild woher der Schuss kam
  • Zu rasche Bergung verstärkt die Beunruhigung (beim hauptsächlich durchgeführten Morgenansitz eine Stunde warten)
  • Unter allen Umständen verhindern, dass das Wild den Menschen mit dem Schuss verbindet (z.B: Bergung mit dem Fahrzeug, …)
 
Seine Meinung zu technischen Hilfsmittel:
Der große Absatz an technischer Aus- und Aufrüstung wie Nachtsichtgeräte, Infrarotkameras, Zielfernrohre mit lichtstarker Optik oder Gewehre mit Weitschusskaliber ist meines Erachtens ein Ausdruck unserer Hilflosigkeit im Umgang mit dem unsichtbar gewordenen Wild. Seine Verhaltensänderung als Reaktion auf den steigenden Jagddruck erschwert eine effiziente Bejagung massiv und hat eine verhängnisvolle Abwärtsspirale zur Folge. Es wird versucht, mit moderner Technik der Unsichtbarkeit entgegenzuwirken und den ausbleibenden Jagderfolg durch die Eroberung der nächtlichen Ruhe- und Rückzugsräume des Wildes zu kompensieren.
Dies entspricht dem Gegenteil von dem, was unser Ziel sein muss, nämlich dem Wild zu ermöglichen, seinem natürlichen Rhythmus zu folgen und seine ursprünglichen Bedürfnisse auszuleben.
 
Fütterung:

Sie ist für ihn ein Ort des Rückzugs und der Überwinterung. Dei Beschickung von Mitte Oktober bist Ende April erfolgt großzügig immer vormittags. Damit hat das Wild den ganzen Tag, um sich an der Fütterung aufzuhalten und genügend Nahrung aufzunehmen. Auch später dazu kommende Stücke müssen noch reichlich Nahrung vorfinden.
Dieses Angebot „bindet“ das Rotwild an den Fütterungsstandort und macht die Fütterung zu einem funktionierenden Wildlenkungsinstrument, das dabei hilft, Schäden im Wald zu verhindern. Voraussetzung ist absolute Ruhe in einem entsprechenden Radius um die Fütterung. (Foto: Hubert Billiani)

 

Wald:

Bei der Übernahme des Reviers, war eine Naturverjüngung schlicht nicht vorhanden. Die Vertrautheit und Tagaktivität des Wildes sowie die Nutzung der gut verteilten Äsungsflächen haben dazu geführt, dass außer Lärchen nichts mehr gepflanzt wird. Der Naturverjüngungsgrad liegt bei 90%. Dazu gehört aber auch intensive Jungwuchspflege durch großzügiges Freischneiden und die Betreuung uder Äsungsflächen und die Beweidung der geschwendeten Flächen. (Kolbenhirsch in der Naturverjüngung, Foto: Hubert Billiani) 

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