Ergebnisse Auerhuhnprojekt

Ergebnisse der 3-jährigen Grundlagenstudie Auerhuhn in Vorarlberg

Seit dem letzten Zwischenbericht über das Auerhuhnprojekt Vorarlberg ist nun schon einige Zeit vergangen (Ausgabe 2/2022). Wir erinnern uns: der aktuelle Wissensstand über Auerhühner in Vorarlberg war gering. Meldungen von Sichtungen und Nachweisfunden beruhten meist auf Zufallsfunden und wurden unsystematisch in verschiedenen Datenbanken festgehalten. Landesweite Balzplatzzählungen, wie sie von den Jägerschaften in anderen Bundesländern organisiert werden und als Grundlage für Bestandeseinschätzungen dienen, werden in Vorarlberg für Auerhühner nicht durchgeführt. Die wenigen vorhandenen Daten reichten bisher nicht aus, um gesicherte Aussagen über die Entwicklung der einzelnen Bestände in bekannten Vorkommensgebieten oder der Gesamtpopulation treffen zu können.

Um einen verbesserten Kenntnisstand über aktuelle Vorkommen, Lebensraumqualität und -potential sowie sinnvolle Maßnahmen zur Förderung des Auerhuhns zu erlangen, wurde vom Amt der Vorarlberger Landesregierung, Abt. Umwelt- und Klimaschutz gemeinsam mit den Abteilungen Forstwesen sowie Landwirtschaft und ländlicher Raum, der Vorarlberger Jägerschaft, BirdLife Vorarlberg und der Stiftung Gamsfreiheit eine Grundlagenstudie „Auerhuhn in Vorarlberg“ in Auftrag gegeben. Bearbeitet wurde die Studie von einer Bürogemeinschaft, bestehend aus dem Wildbiologischem Büro Veronika Grünschachner-Berger aus der Steiermark, Monika Pfeifer und Thomas Huber vom Büro am Berg – Wildtierökologie und Landschaftsplanung aus Kärnten und Florian Kunz und Ursula Nopp-Mayr vom Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft sowie Markus Immitzer vom Institut für Geomatik an der Universität für Bodenkultur in Wien

Zur Diversität der Vorarlberger Auerhuhnpopulation

Neben dem Lebensraum wurde auch die rezente Auerhuhnpopulation genauestens untersucht: rund 200 Losungs- und Federproben wurden unter Mithilfe vieler Helfer in den Revieren gesammelt und zur genetischen Auswertung in das Labor nach Wien geschickt.

Insgesamt konnten bei der genetischen Analyse der Proben aus den verschiedenen Vorkommensgebieten 55 Individuen nachgewiesen werden. Mit einem angenommenen Geschlechterverhältnis von 1:1,4 Hahnen und Hennen führt dies zu einem geschätzten (hochgerechneten) Mindestbestand von 92 Individuen .

Es kann angenommen werden, dass eine größere Zahl auswertbarer Proben noch einige Individuen mehr ergeben hätte, eine deutlich höhere Anzahl an Individuen ist jedoch nicht zu erwarten.

Die Auswertung zeigt außerdem, dass die genetische Diversität noch vergleichbar gut ist, die einzelnen Auerhuhnvorkommen jedoch bereits eine signifikante „Clusterung“ aufweisen. Das bedeutet, dass zwischen den vier unterscheidbaren Regionen vermutlich nicht mehr genügend Austausch und somit Genfluss besteht. Die Regionen Bregenzerwaldgebirge (insbesondere Frödischtal und Firstgebiet) und Allgäuer Alpen (grenzüberschreitende Region um Hittisau und Sibratsgfäll) erscheinen noch besser miteinander vernetzt, was auf noch vorhandene Trittsteinmöglichkeiten im Bregenzerwald hinweist. Auswertungen von Nachweisen aus dem benachbarten Allgäu zeigten, dass die Bestände im nördlichen Teil Vorarlbergs stark von den guten Auerhuhnbeständen im Allgäu abhängig sind. Der Erhalt und die Förderung der Trittsteine über den Bregenzerwald sind von besonderer Wichtigkeit für den Erhalt der Bestände im westlichen Bregenzerwaldgebirge, da diese vermutlich zu klein für ein isoliertes Bestehen sind. Ein besonderes Augenmerk ist hier auf die vielen kleineren bewaldeten Rücken und Kuppen zu legen, die als Trittsteine zwischen den Beständen fungieren können. Genau so sind die bewaldeten Kuppen an den Taleingängen des Montafons, das Hochjoch und der Kristberg wichtige Verbindungsmöglichkeiten zwischen dem Montafon über das Silbertal ins Klostertal. In der Teilpopulation Bürserberg konnten trotz der geringen Fläche die meisten Individuen nachgewiesen werden, womit diesem Vorkommen eine besonders wichtige Rolle im Populationsverbund zukommt.

Habitateignungs-Modell, genetische Regionen und Korridore (rot)

Ein regelmäßiger Austausch zwischen den Beständen ist gerade für die Situation in Vorarlberg von wesentlicher Bedeutung. Ein solcher Genfluss kann Inzucht verhindern, die genetische Vielfalt in einer zusammenhängenden Population erhalten und ist somit ein wesentlicher Faktor für das langfristige Überleben einer Art. Durch die genetische Analyse konnte in einem Fall die Wanderbewegung einer Henne im Montafon über die Distanz von 12 km nachgewiesen werden. Die Wanderbewegung entlang des Tales scheint also möglich zu sein, ein solcher Einzelnachweis darf jedoch nicht als Beweis für eine bestehende ausreichende Vernetzung gesehen werden. Die noch gute genetische Diversität bei gleichzeitig bereits nachweisbarer Strukturierung zeigt einen dringenden Handlungsbedarf auf, einerseits in der Vernetzung der Teilpopulationen, andererseits in der Stabilisierung und langfristigem Erhalt bekannter Vorkommen.
Managementmaßnahmen zur Verbesserung der Situation für Auerhühner in Vorarlberg sollten daher zwei klare Ziele verfolgen:

1) die Sicherstellung der noch existierenden Teilpopulationen in den Vorkommens-Schwerpunktgebieten sowie

2) die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Vernetzung zwischen den einzelnen Beständen.

Lebensraumansprüche des Auerhuhns verstehen

Damit diese Ziele erreicht werden können, benötigt es gemeinsame Anstrengungen aller Beteiligten.  Eine erste Voraussetzung hierfür ist eine grundlegende Kenntnis über die Lebensraumansprüche des Auerhuhns. Aus diesem Grund wurden im Rahmen des Projekts eine Reihe von Exkursionen und Schulungen in verschiedenen Auerhuhngebieten durchgeführt. Das Teilnehmerfeld reichte von Behördenvertretern aus Forst und Naturschutz, Waldaufsehern und Grundbesitzern bis zu Forstbetrieben und Schutzgebietsbetreuern. Neben der Vermittlung von Informationen zur Biologie und Lebensraumansprüchen der Auerhühner für einen größeren Personenkreis (wir berichteten ausführlich darüber in der Ausgabe 2/2022), wurden im Sommer und Herbst 2022 für und gemeinsam mit Waldaufsehern, Forstbetrieben und Schutzgebeitsbetreuern gezielte Schulungen und Planungen für forstliche Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensräume für Auerhühner durchgeführt. Neben den Vorkommens-Schwerpunktgebieten wurden hierbei auch jene Gebiete berücksichtigt, die aktuell vielleicht wenig geeignet für Auerhühner sind, aber wichtige Funktionen für die Vernetzung der einzelnen Vorkommen erfüllen.

Seilungen bringen Licht in den Bestand: die Bodenvegetation wird für Auerhühner wieder attraktiv

Monitoring und Nachschau

Eine unverzichtbare Begleitmaßnahme zur aktiven Lebensraumgestaltung ist eine laufende Erhebung der Bestandesentwicklung im Rahmen eines Monitorings. Ohne eine Intensivierung des Monitorings im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten wird die Erhaltung des Auerhuhnbestandes in Vorarlberg nicht zu bewerkstelligen sein und ein unbemerktes Verschwinden ist zu befürchten. Der Schwerpunkt des Monitorings sollte dabei in Gebieten mit vergleichsweise großen Vorkommen liegen. In reinen Trittsteingebieten, die der Verbindung der einzelnen Vorkommensgebiete dienen, ist jedenfalls ein Lebensraummonitoring (Vergleich der Veränderungen der Lebensraumeignung mit dem Lebensraum-Potentialmodell) von großer Bedeutung, da hier der systematische Nachweis von Auerhuhn-Vorkommen erfahrungsgemäß sehr schwer zu erbringen ist. Für ein Monitoring der Auerhuhnbestände sollten regelmäßige Balzplatzzählungen, eine gezielte Nachweissuche in ausgewählten Referenzgebieten und ein periodisches genetisches Monitoring basierend auf den vorliegenden Ergebnissen der genetischen Auswertungen durchgeführt werden.

Handeln gefragt

Die noch gute genetische Diversität sowie einzelne migrierende Individuen geben Hoffnung, dass mit gezielten Maßnahmen die Auerhuhnbestände in Vorarlberg auf Dauer erhalten werden können. Ohne gezielte Maßnahmen zumindest in den definierten Kerngebieten und ohne Erhalt der Korridore und Trittsteine werden die lokalen Populationen jedenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu halten sein. Neben der Hauptursache für den Rückgang des Auerhuhns, dem „Dunklerwerden der Wälder“ durch die markante Zunahme des Kronenschlusses, sind menschliche Störungen als wesentliche Einflussfaktoren zu sehen. Ähnlich wie in anderen Bundesländern besteht die wichtigste forstliche Maßnahme in der Auflichtung von Beständen, in Kombination mit weiteren forstlichen und raumplanerischen Maßnahmen. Diese können sein: Schaffung und Erhalt von Flugschneisen und Lücken im Bestand, Erhöhung des Grenzlinienanteils, Gestaltung von Böschungen entlang von Forststraßen, aber auch die Minderung menschlicher Störeinflüsse durch intensiven Tourismus oder Freizeitsport sowie eine angepasste Raumplanung durch Verzicht auf große Infrastrukturprojekte in wichtigen Schwerpunkt- und Trittsteingebieten. Verschiedene Maßnahmen können einander ergänzen und fördern. Grundsätzlich sollte nach dem Prinzip des „Rotierenden Mosaiks“ gearbeitet werden. Dieses sollte Grundlage für eine aktive, vorausschauende Habitatgestaltung sein: Lebensraumteile werden früh genug „vorbereitet“, damit sie später nutzbar sind. Der überwiegende Teil der notwendigen forstlichen Maßnahmen sollte dabei durch die bestehenden forstlichen Förderungen abdeckbar sein.
Das wieder erwachte Interesse am Auerhuhn muss nun weiter gepflegt werden. Vor allem für Gundbesitzer und Jäger sollen hierfür zukünftig in den Regionen jeweils „Auerhuhnbeauftragte“ als Ansprechpartner für (forstliche) Maßnahmen (Beratung und Planung) zur Verfügung stehen. Meldungen über Nachweise werden bei der Vorarlberger Jägerschaft, dem Land Vorarlberg, Inatura oder BirdLife auch weiterhin gerne angenommen und in einer gemeinsamen Datenbank verwaltet.
Dank der im Projekt gewonnen Erkenntnisse können Maßnahmen zur Förderung des Auerhuhns fortan effizienter und zielgerichteter umgesetzt werden. Eines hat die nun beendete Grundlagenstudie jedenfalls gezeigt: Der Fortbestand dieser besonderen Wildart kann nur durch gemeinsames engagiertes Handeln auf vielen großen und kleinen Flächen und den verschiedenen Ebenen erfolgreich gelingen.

Das Projektteam und die Projektverantwortlichen bedanken sich bei den vielen Helfern, Interessierten und Engagierten, ohne die die umfangreiche Suche und Bestandessaufnahme der Auerhühner nicht möglich gewesen wäre!


Das Projektteam: Veronika Grünschachner-Berger, Monika Pfeifer, Thomas Huber, Florian Kunz, Ursula Nopp-Mayr

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